Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur

Von der Steuer- zur Entgeltfinanzerung

Schieneninfrastruktur in desolatem Zustand. Unterhaltung und Ausbau der Bundesfernstraßen wegen fehlender Milliarden gleichfalls nicht gesichert. Droht der Verkehrsinfarkt, weil dem Staat die für Unterhaltung und Ausbau der Verkehrswege erforderlichen Mittel fehlen? Die 1999 vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte „Kommission zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur“ (Vorsitz: Willi Pählmann) sieht eine „Instandhaltungskrise“ und schlägt in ihrem gerade vorgelegten Schlussbericht als Lösung den Übergang von der Haushalts- zur Entgeltfinanzierung vor.

Bundesverkehrswegeplan mit 120 Mrd. DM unterfinanziert

Zwischen verfügbaren Haushaltsmitteln und den für die Substanzerhaltung und den weiteren Ausbau der Bundesverkehrswege erforderlichen Mitteln klafft seit Jahren eine zunehmende Diskrepanz. Der gültige Bundesverkehrswegsplan 1992 (Gesamtvolumen: 490 Mrd. DM) ist im Zeitraum bis 2012 mit rd. 120 Mrd. DM unterfinanziert. Zur Realisierung der geplanten, im einzelnen nicht immer sinnvollen Projekte fehlen p.a. bei den Bundesfernstraßen rd. 4 Mrd. DM, bei den Bundesschienenwegen 3 Mrd. DM und bei den Bundeswasserstraßen immerhin noch 0,5 Mrd. DM.

Woher sollen die für Sicherung und Ausbau der Bundesverkehrswege erforderlichen Finanzmittel kommen? Im Bundeshaushalt gibt es dazu mittelfristig keinen finanzpolitischen Spielraum, ist die Bundesfinanzpolitik doch auf Jahre durch ehrgeizige Konsolidierungsziele bei gleichzeitigen Steuerentlastungen geprägt. Aufgabe der Kommission war es vor diesem Hintergrund, konkrete Vorschläge für relevante Finanzierungsbeiträge außerhalb des Bundeshaushaltes zu erarbeiten.

Die Empfehlungen

Bei ihrem strategischen Grundkonzept geht die Kommission davon aus, dass weder der Ruf nach privatem Kapital noch die Forderung nach strikter Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens in die richtige Richtung weist. Eine nachhaltige Lösung bestehender Finanzierungsprobleme sei nur durch schrittweise Umstellung von der Haushalts- auf die Nutzerfinanzierung über privat oder staatlich organisierte Finanzierungsgesellschaften möglich.

Die zentralen Empfehlungen lauten:

(1) Bei den Bundesfernstraßen (BAB) sollen ab 2003 steckenabhängige Entgelte für schwere Lkw von durchschnittlich 0,25 DM/Fz.-km erhoben werden. Zeitgleich soll für die anderen Kraftfahrzeuge (leichte Lkw, Busse und Pkw) zunächst eine Vignette eingeführt und diese dann schrittweise durch ein streckenabhängiges Entgelt abgelöst werden. Sukzessive sei das streckenbezogene Entgelt so auf alle Fahrzeugkassen unter Einbezug aller Bundesfernstraßen auszuweiten. Dies freilich nicht im Sinne einer Zusatzbelastung. Die heutige Verkehrsabgabenbelastung soll vielmehr im Maß der Umstellung auf Benutzungsentgelte zurückgenommen werden.

(2) Da die DB Netz AG absehbar ihre Kosten nicht durch Einnahmen erwirtschaften kann, sondern auf Staatszuschüsse angewiesen sei, wird die Rückführung des Schienennetzes in „unmittelbares staatliches Eigentum“ vorgeschlagen. Die Lokal- und Regionalnetzstrecken sollen dabei freilich an „Länder/Kommunen, Verbünde oder Private abgegeben werden“.

(3) Bei den Bundeswasserstraßen wird die Gründung einer privatrechtlich organisierten Bundeswasserstraßenfinanzierungsgesellschaft vorgeschlagen, die – finanziert aus Schifffahrtsabgaben und ergänzenden Bundesmitteln – zügig zu einer Betreibergesellschaft weiterentwickelt werden soll.

Bedingt zukunftsweisend

Die Finanzierungsempfehlungen der Kommission folgen einem beschränkten, im einzelnen kritikwürdigen Ansatz. Nicht nur dass die alte verkehrspolitische Doktrin, wonach der Staat für weiteres Verkehrswachstum, vor allem auf der Straße, eben eine wachsende Infrastruktur bereitzustellen hat, Pate gestanden hat und damit implizit allen Verkehrsvermeidungsüberlegungen eine Absage erteilt wird, nicht nur dass selbst Verlagerungsziele von der Straße auf die Schiene explizit als Illusion gewertet werden; auch allein unter dem Blickwinkel der Konkretisierung alternativer Finanzierungsinstrumente fällt die Bewertung nur bedingt positiv aus.

Perspektivisch in die richtige Richtung weist der Vorschlag, die Finanzierung der reinen Infrastrukturkosten schrittweise nutzungsabhängig zu gestalten. Zwar hat der Bundesverkehrsminister gleich bei der Entgegennahme des Berichts den vorgeschlagenen Einbezug des Autoverkehrs abgelehnt, schließlich sollen Autofahrer nicht weiter verunsichert werden. Klar ist jedoch: eine nutzungsbezogene Verkehrswegefinanzierung kann es nicht im Sinne einer Exklusivregelung nur für schwere Lkw geben. Es ist einfach richtig, die Nutzer der Verkehrsinfrastruktur, egal ob Lkw oder Pkw, entsprechend ihrer individuellen Nutzung zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur heranzuziehen. Dies schafft Transparenz und stärkt das Kostenbewusstsein. Im Straßengüterverkehr ist es zugleich die einzige Möglichkeit, ausländische Speditionen an der Finanzierung der Wegekosten zu beteiligen und damit die Wettbewerbsnachteile inländischer Spediteure wenigstens zu reduzieren.

Was jedoch ist mit den Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis Schiene zu Straße? Im Schienenverkehr zahlen Unternehmen mit Trassenpreise von durchschnittlich 10 DM/km schon jetzt ein Nutzungsentgelt. Verglichen damit sind 0,25 DM/km für schwere Lkw wirklich nur ein kleiner Schritt. Auch im Blick auf das Ausland, etwa die Schweiz, wo eine vielfach höhere Abgabe bereits ab 2001 greift, kann die vorgeschlagene Höhe bestenfalls als Einstieg gewertet werden. Ein Ausgleich der Wettbewerbsbenachteiligung der Schiene findet so nicht statt. Nur allzu gerechtfertigt wäre es deshalb, einen Teil des geschätzten Aufkommens von netto 4 Mrd. DM der Schiene zukommen zu lassen. In der Schweiz jedenfalls sind sogar zwei Drittel des Aufkommens für die weitere Ertüchtigung des Bahnsystems vorgesehen. (- Ob das Schienennetz in die DBAG integriert bleibt oder gemäß Kommissionsvorschlag herausgelöst wird, ist da im Vergleich fast sekundär. Die Herauslösung mag die ehrliche Antwort sein, löst die Finanzierungsprobleme jedoch nicht.)

Schade schließlich auch, dass sich die Kommission der Thematik externer Kosten nicht stellt. Zahlreiche Studien belegen: die Umweltkosten des vor allem Straßenverkehrs sind erheblich und bei weitem nicht durch Abgaben gedeckt. Der Logik individueller Kostenzurechnung entspräche es, diese Thematik nicht einfach auszublenden.

Cornelia Heintze

Der Schlussbericht der Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung vom 5. September 2000 ist im Internet abrufbar unter: http://www.baunetz.de/bmvbw/publik/verkehrsstruktur.htm

Der Artikel erschien in den Ökologischen Briefen Nr. 20 v. 27.09.2000