Menschen im Thermo- und Ozonstress

Mittlerweile ist es amtlich: Der Sommer 2003 (Juni bis August) war der wärmste seit Beginn der Messreihen im Jahr 1901. Mit im Mittel 19,6 Grad lag die Tagestemperatur um 3,4 Grad über dem Durchschnitt. Rekord auch bei der durchschnittlichen Sonnenein-strahlung. Sie lag mit 9,1 Std. im Monat August um 42% über dem Durchschnitt der letzten 6 Jahre und um immerhin noch 28% über dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre.. Die zunehmenden Wetterkapriolen – Hochwasser im Sommer 2002, tropische Hitze und Dürre im Sommer 2003 – bleiben auf den menschlichen Organismus nicht ohne Folgen. Vielfach überfordern sie die Anpassungsfähigkeit. In der Gluthitze der ersten Augustwochen 2003 bezahlten dies nicht wenige Menschen mit dem Tod. Wieviele es in Deutschland waren, ist unbekannt; es gibt weder Statistiken noch Hochrechnungen, sondern nur Einzelangaben von Bestattungsunternehmen, Alten- und Pflegeheimen. Für Frankreich liegen Zahlen vor. Aus Hochrechnungen der Bestattungs-dienste wurde die Zahl von 10.400 Hitzetoten errechnet. Dies ist dramatisch, auch wenn die Zahl der echten „Hitzetoten“ deutlich geringer sein dürfte.

Das Wärmeregulationssystem

Menschen sind Wärmblüter; unsere Kerntemperatur müssen wird konstant bei ca. 37 Grad halten. Nur innerhalb gewisser Grenzen können wir uns unterschiedlichen Umgebungstemperaturen anpassen. Handelt es sich um ungewohnte Extremtemperaturen, dauert es, bis sich der Organismus umgestellt hat. Bei tropischen Temperaturen müssen für die Umstellung der Wärmeregulation zwei bis drei Wochen eingeplant werden.

Grundsätzlich stehen uns für die Wärme-/Thermoregulation eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung. Steuerungs-zentrum ist im Zwischenhirn der Hypothalamus. Er besitzt ein Kühl- und ein Erwärmungszentrum. Seine Informationen bezieht er aus rd. 30.000 Thermorezeptoren der Haut. Sie nehmen laufend Temperatur-messungen vor. Der Vergleich zwischen Ist- und Soll-Werten setzt bestimmte chemische oder physikalische Anpassungsmechanismen in Gang. Bei zu hohen Ist-Werten wird zunächst Wärme in Form von Strahlung an die Umgebung abgegeben. Wichtig dafür ist eine weite Kleidung aus Naturfasern wie Leinen, Hanf oder Baumwolle, da einengende Kleidung, zumal aus Synthetik die Wärmeab-strahlung behindert. Reicht diese Form der trockenen Wärmeabgabe nicht aus, tritt der feuchte Mechanismus in Kraft. Überschüssige Wärme wird jetzt durch Wasserverdunstung über die Lungen und die Scheißdrüsen abgegeben. Dies sorgt für eine Temperaturkorrektur durch Verdunstungs-kälte. Pro Quadratzentimeter Haut stehen hierfür zwischen 50 bis über 300 ekkrine Schweißdrüsen mit Schwerpunkten im Bereich der Handinnenflächen und der Fußsohlen zur Verfügung. Dazu kommen die apokrinen Schweißdrüsen in den Achselhöh-len und im Genitalbereich. Bei extremer Hitze kann der Körper stündlich mehrere Liter Schweiß ausscheiden. Da dies leicht zu einer Austrocknung und Entsalzung führt, werden weitere Anpassungsmechanismen in Gang gesetzt. Dazu zählen die Senkung der Salzkonzentration im Schweiß, die Erhöhung der Hauttemperatur durch Steigerung der Hautdurchblutung und die Veränderung der Schwitzschwelle.

Bei überforderter Wärmeregulation drohen Hitzeschäden

Austrocknung

Manche Regel gilt bei extremer Hitze nicht. So das Achten auf eine salzarme Kost und die Bevorzugung natriumarmer Mineralwässer. Der hitzegeplagte Mensch kann durch Schwitzen viel Wasser und Salz verlieren. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen und Beinkrämpfe können Symptome einer beginnenden Austrocknung sein. Jetzt ist eine kühle Umgebung, Verzicht auf körperliche Bewegung und viel mineralstoffreiche Flüssigkeit nötig. Wo dies unterbleibt oder bei schweren Fällen kann sich Bewusstlosigkeit und Atemstillstand einstellen.

Hitzschlag

Bei anhaltender Wärmezufuhr durch Sonneneinstrahlung und unzureichender Wärmeabgabe kann es zum Hitzschlag kommen. Betroffen sind nicht selten auch Säuglinge. Ihre Fähigkeit, durch ausreichende Schweißproduktion einer Körperüberwärmung entgegenzuwirken, ist noch nicht voll entwickelt. Dies kann schnell lebensbedrohlich werden, wenn die zentrale Hitzeregulation im Gehirn quasi zusammen-bricht. Dann nämlich versiegt die abkühlende Schweißproduktion und die Körpertempera-tur steigt rasch auf Werte über 41 Grad C. Herzjagen, Übelkeit, Schwindel, Blutdruck-abfall und Atemstörungen bis hin zum Atemstillstand stellen sich ein. Erfolgt jetzt keine Abkühlung drohen Bewusstlosigkeit und Tod.

Hitzekollaps

Durch Hitzeeinwirkung können sich die Gefäße so erweitern, dass der Blutrückfluss aus den Beinen zum Herz und zur Lunge nicht mehr ausreichend ist. Das Gehirn erhält dadurch zu wenig Sauerstoff. In der Folge treten Ermattung, Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen und Blutdruckabfall auf. Beine hoch legen und Luft zuwedeln, können Linderung schaffen.

Sonnenstich

Die direkte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf kann schwerwiegende Folgen haben. Dies im Besonderen bei Menschen mit geringer oder gar keiner Kopfbehaarung. Gefährdet sind jedoch auch Kinder und ältere Menschen. Werden die Hirnhäute gereizt, kommt es zur Nackensteife und das Zentralnervensystem gerät in Gefahr. Der Kopf läuft hochrot an. Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen stellen sich ein. Ohne sofortige Behandlung mit feuchten Tüchern und Frischluft bei Vermeidung weiterer Sonneneinstrahlung kann sich ein Hirnödem bilden.

Ozonsmog und ausbleibende nächtliche Abkühlung als Zusatzbelastung

Bei der Hitzewelle im August 2003 konnte in den Innenstädten mit hoher Baudichte beobachtet werden, dass der Boden und die Gebäudekörper nachts soviel Wärme abga-ben, dass sich die für einen erholsamen Schlaf erforderlichen Temperaturen auch deshalb nicht einstellten. Zum Thermostress am Tage gesellten sich nächtliche Schlafstörungen.

Damit nicht genug: Die Hitzewelle ließ auch die Ozonwerte in den kritischen Bereich aufsteigen. Das Gift entwickelt sich bei Sonneneinstrahlung durch photochemische Umwandlungen aus den Vorläufersubstanzen Stickoxid, Kohlenwasserstoff und Kohlen-monoxid. Sie stammen primär aus Autoabgasen. Erreicht der Sommersmog kritische Werte reagieren ozonsensible Menschen mit Bindehautreizungen. Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Neigung zu Hustenreiz. Dies allein ist schon unangenehm. Gefährlicher sind jedoch die langfristigen Folgen. So können die feinen Lungenverästelungen in ihrer Funktion dauerhaft geschädigt werden. Ozon übernimmt dann eine Art Schrittmacherfunktion für die Entwicklung und Verstärkung von Allergien und Asthma.

Auch wenn nicht zu erwarten steht, dass tropische Temperaturen im Sommer zu Regel werden, dürfte uns die Erfahrung des Sommers 2003 doch ein Gefühl davon vermittelt haben, dass der Klimawandel nicht nur die Ökosysteme im Allgemeinen, sondern auch den menschlichen Organismus von verschiedenen Seiten her unter Stress setzt.

Cornelia Heintze

Literatur siehe u.a. Kirsch et al.: Physikalische Umweltfaktoren, in: Hierholzer/Schmidt: Pathopysiologie des Menschen 1992; Informationen zur Temperaturentwicklung, Niederschlagsentwicklung etc. in Deutschland seit 1901 finden sich beim Deutschen Wetterdienst unter http://www.dwd.de/de/FundE/Klima/KLIS/prod/spezial/temp/index.htm. Dort existiert auch ein Geschäftsfeld Medizin-Meteorologie (E-Mail: med-met@dwd.de) und es gibt aktuelle Informationen zum Biowetter, zu Pollen, und Ozonbelastung unter fon 0190-115460/80/30 sowie unter http://www.wetteronline.de/dldlluf.htm. Einzelne Meteorologische Institute beschäftigen sich auch mit Stadtklimaforschung. Am Meteorologischen Institut der Universität Freiburg (Hebelstr. 27, D-79085 Freiburg) besteht z.B. eine entsprechende Arbeitsgruppe. Kontakt: Fon 0761/203-6921; Fax 0761/203 6922; E-Mail: meteo@meteo.uni-freiburg.de; zur Ozonthematik siehe die „Hintergrundinformation: Sommersmog“ des Bundesumweltamtes vom Mai 2003, Internet: http://www.umweltdaten.de/uba-info-presse/hintergrund/sommersmog-2003.pdf