Führen durch Zielvereinbarungen in öffentlichen Verwaltungen

Anforderungen und Umsetzungsprobleme

Verfasserin: Dr. Cornelia Heintze

Zusammenfassung/Summary

Staatliches Handeln befindet sich in einem grundlegenden Veränderungsprozess. Der hierarchisch steuernde Staat muss Terrain aufgeben. Neu im Aufbau begriffen ist der aktivierende Staat, der Verhandlungsstaat. Wenn der Staat zum kooperativen Verhandlungsstaat und die Kommune zur Bürgerkommune werden soll, muss sich dieser Funktionswandel des Staates und der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung logischerweise auch in den Binnenstrukturen der öffentlichen Verwaltung widerspiegeln. Das Modell bürokratischer Führung korrespondierte mit dem hierarchisch steuernden Staat. Das im Rahmen Neuer Steuerungsmodelle entwickelte Modell eines Führens durch Zielvereinbarungen und Kontraktmanagement entspricht dagegen dem Funktionswandel hin zum aktivierenden Staat und hin zur Bürgerkommune. In den übergreifenden Leitbildern von Verwaltungsreform als ganzheitlichem Veränderungsprozess wird dieser Zusammenhang zunehmend reflektiert. Im praktischen Reformprozess dominiert dagegen das Rationalisierungsmotiv. Verwaltungsreform wird verkürzt auf das Ziel, im Wege der Durchökonomisierung Sparpotentiale zu erschließen. Vielfach wird Personal dabei nur als Kostenfaktor gesehen und die Personalkosten zum zentralen Sparhebel erklärt. Die Akteure der Reform verwenden viel Kraft und Mühe auf neue Aufbauorganisationen und die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente. Diese Bausteine sind wichtig, denn über die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente wie Budgetierung, Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling kann die Effizienz des Verwaltungshandelns nachhaltig gesteigert werden. Zugleich ist jedoch deutlich geworden: Die Steigerung der Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit und Bürgernähe von Verwaltungshandeln kann durch eine rein technokratische Reform nicht gelingen. Ob der Reformprozess mehr bewirkt als eine lediglich partielle Modernisierung wird sich wesentlich an der Frage entscheiden, ob die Veränderungsperspektive über eine neue Führungskonzeption tradierte Verhaltensroutinen, die Formen der Zusammenarbeitens und die Verwaltungskultur im weitesten Sinne mitumgreift.

Von der strategischen Orientierung und dem konzeptionellen Ansatz her ist die Verwaltungsreform ein ganzheitlicher Veränderungsprozess, wo die einzelnen Bausteine des NEUEN STEUERUNGSMODELLS (NSM) in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen. Treibende Kraft des Reformprozesses waren und sind die Kommunen. Wenn wir für die kommunale Ebene eine nüchterne Bestandsaufnahme der Ergebnisse des mittlerweile fast zehnjährigen Reformprozesses ziehen, ist der Befund ambivalent. Implementiert wurde in zahlreichen Kommunen eine mehr oder weniger weitgreifende Reform des Haushalts- und Rechnungswesens mit Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente von Produktbüchern über Systeme der Kosten- und Leistungsrechnung bis hin zu rudimentären Formen von Controlling. Es wurden neue Aufbauorganisationen geschaffen und die Ablauforganisationen angepasst. Nicht wenige Kommunen haben in größerem Stil Privatisierungen vorgenommen. Nur wenige Kommunen bemühen sich dagegen, über innovative Beteiligungsformen, wie z.B. das Instrument „Planungszelle“, dem Bürgerkommune-Anspruch praktisch gerecht zu werden. In den meisten Kommunen erfolgte der Reformprozess weniger mit dem Ziel einer umfassenden Verwaltungsertüchtigung als getrieben von dem Zwang zur Haushaltskonsolidierung. Nun ist der Reformprozess vielerorts ins Stocken geraten. Dies ist der beschränkten Motivlage ebenso geschuldet wie der Anlage als primär betriebswirtschaftlich-technokratische Reform. Die Reform droht an den zwei zentralen Hürden „Politikreform“ und „Neues Führungskonzept“ zu scheitern. Mein Beitrag beschäftigt sich mit dem Stellenwert der Philosophie eines Führens durch Zielvereinbarungen als durchgängigem Steuerungsprinzip und beleuchtet die Schwierigkeit, es praktisch mit Leben zu füllen.

(Mitarbeiter-)Führung ist nach meinem Verständnis eingebettet in einen komplexen Regelkreis. Das interpersonale Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern stellt als Führung im engeren Sinne quasi den inneren Regelkreis dar. Zum Regelkreis von Führung gehören darüberhinaus jedoch auch die in einer Organisation maßgeblichen Strukturprinzipien und die je spezifische Organisationskultur. Führung als zielgerichtete Beeinflussung und Steuerung des Verhaltens von MitarbeiterInnen im Hinblick auf bestimmte Ziele unterliegt so ihrerseits der Steuerung durch den gegebenen kulturellen und organisatorischen Rahmen. Betrachten wir nur die Mitarbeiterführung im engeren Sinne, konkretisiert sich Führung in der sozialen Interaktion zwischen mindestens zwei, in der Regel mehreren Personen. Die Führungsperson ist dabei qua hierarchischer Stellung in der Organisation legitimiert, Vorgesetztenfunktionen wahrzunehmen. D.h. sie darf Anweisungen erteilen, darf und muss die Arbeitsleistung der ihr unterstellten MitarbeiterInnen kontrollieren, darf Beurteilungen vornehmen usw. Wie Mitarbeiter von ihren direkten und indirekten Vorgesetzten geführt werden, ist ein zentraler Faktor für ihre Leistungsbereitschaft, ihre Motivation, ihr Engagement, damit für den Erfolg der Organisation. Folgendes sollte dabei freilich nicht ausgeblendet werden: Führung spielt sich nicht nur auf einer Sach-, sondern zugleich auf einer Beziehungs- und Gefühlsebene ab. „Think limbic“ würde ich zwar nicht zum Führungskompass erklären, aber zum vertieften Verständnis gehört auch die Berücksichtigung der Steuerung durch Emotionen.

Neues Führungskonzept: Führen durch Zielvereinbarungen und Kontraktmanagement

Neue Verwaltungssteuerung folgt einer doppelten Philosophie: die Übersteuerung in der Kernverwaltung soll durch größtmögliche Delegation von Verantwortung an die dezentralen Einheiten zurückgenommen, dem Prinzip organisierter Verantwortungslosigkeit soll durch die Zusammenführung von Fach- und Finanzverantwortung wirksam begegnet werden. Damit die MitarbeiterInnen in den verschiedenen Organisationseinheiten wissen, was von ihnen erwartet wird, werden mit ihnen Kontrakte resp. Zielvereinbarungen geschlossen. Kontrakte sind gestuft über mehrere Ebenen. In der Kommunalverwaltung, wo die Politik fast immer mit im Spiel ist, ergibt sich folgendes Bild. Im Rahmen eines „politischen Kontraktes“ wird zwischen Verwaltungsführung und Politik festgelegt, welche Leistungen von der Verwaltung innerhalb eines bestimmten Budget- und Zeitrahmens zu erbringen sind. Die Verwaltungsführung entscheidet dann, mit welchen Organisationsformen, welchem Personaleinsatz etc. sie das vereinbarte Programm ausführt und dokumentiert die Zielerreichung gegenüber der Politik (Berichtswesen). Der Kontrakt zwischen Politik und Verwaltung stellt in der rechtlichen Würdigung eine politische Vereinbarung mit Bindungswirkung nur nach innen dar. Seine finanzielle und personalwirtschaftliche Seite konkretisiert sich im Haushalts- und Stellenplan. Auf Basis des „politischen Kontraktes“ schließt die Verwaltungsführung dann „Managementkontrakte“ mit den Führungen der Fachbereiche resp. den Amtsleitungen ab, die ihrerseits Zielvereinbarungen mit ihren Unterabteilungen treffen. Fest institutionalisierte Mitarbeitergespräche sind dabei das zentrale Instrument. Hier werden Zielvereinbarungen getroffen und die Zielerreichung kontrolliert.

Das qualitativ Neue am Kontraktmanagement besteht in zwei Innovationen:

  • Zum Kontraktmanagement gehört ein Aushandlungsprozess von Zielvereinbarungen. Beide Seiten, einmal Politik und Verwaltungsführung, dann die Führungskräfte in der Verwaltung und die MitarbeiterInnen, werden begriffen als Kontrahierende, die sich in einem Verhandlungsprozess auf etwas verständigen. Auch wenn das Recht der Politik unbestritten ist, über das Was zu befinden, können Menge und Qualität von zu erbringenden Leistungen nicht einseitig von der Politik gesetzt werden. Es bedarf der Aushandlung. Verwaltungsintern wiederum sollen nicht Führungskräfte per Diktat Verfügungen treffen, sondern beide Seiten kommen über Vorgesetzten-Mitarbeitergespräche zu einem Ergebnis. Dieses Ergebnis wird schriftlich festgehalten. Aufgabe von Berichtswesen und Controlling ist es, sicherzustellen, dass Abweichungen rechtzeitig erkannt und erforderlichenfalls gegengesteuert wird.
  • Während im Modell bürokratischer Führung der Erledigungsprozess einer Aufgabe im Mittelpunkt stand, sind Kontrakte ergebnisorientiert. Entscheidend ist nicht, dass die Verwaltung bei der Erbringung von mit der Politik ausgehandelten Verwaltungsleistungen im Detail den Haushaltsansätzen folgt, die der kamerale Haushaltsplan ausweist. Entscheidend ist, dass der globale Budgetrahmen eingehalten wird resp. Überschreitungen in definierten Grenzen bleiben. Entscheidend ist auch nicht, dass der Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigung einer bestimmten Regieanweisung folgt. Entscheidend ist, dass er/sie mit den verfügbaren Ressourcen in einem bestimmten Zeitrahmen zu den festgelegten Ergebnissen kommt.

Führen durch Zielvereinbarungen und ein darauf bezogenes Kontraktmanagement ist in öffentlichen Verwaltungen zum dominanten Führungsleitbild avanciert. Es findet sich in den Führungsleitlinien von Landesverwaltungen genauso wie in denen von Kommunalverwaltungen. Für die gelebte Führungspraxis besagt dies allerdings noch nicht viel. Normative Festlegungen sind das eine, gelebte Führung das andere. Dafür, dass beides auseinanderfallen kann, gibt es nicht nur aktuell viele Beispiele. Auch ein Blick in die Vergangenheit, wo in den 70er Jahren auf Bundes- wie Landesebene versucht wurde, kooperative Führungsleitlinien vorzugeben, ist lehrreich. Da es damals keinen ganzheitlich angelegten Reformprozess gab, der in irgendeiner Weise an den Grundfesten überkommener bürokratischer Ordnungsprinzipien gerüttelt hätte, erlangten diese Bemühungen praktisch kaum Relevanz. Sie prallten an der gegenläufigen Binnenlogik des überkommenen Systems der öffentlichen Verwaltung schlicht ab. Auch heute gilt: die regelgebundene bürokratische Führungskultur gehört nicht deshalb der Vergangenheit an, weil die offiziellen Führungsleitlinien einer anderen Philosophie folgen. Bürokratisches Denken lässt sich nicht durch Knopfdruck abschalten. So können unter der Überschrift „Abschluss von Zielvereinbarungen“ akribisch Details festgelegt werden, die kaum weniger einschnürend sind als das alte Regime von Haushaltsstellen mit kleinteiligen Einzelverwendungszwecksbindungen. „Zielvereinbarung“ wird so zur Fassade, hinter der das alte bürokratische Regime weiterlebt.

Stolpersteine auf dem Weg zur praktischen Umsetzung

Derzeit besteht die neue Führungskonzeption noch meist in toten Buchstaben. Nicht nur ein antiquiertes öffentliches Dienstrecht mit mangelnder Leistungsorientierung, auch zahlreiche von den Verwaltungen selbst steuerbare Regelungen stehen als Hemmfaktoren gegen ihr praktisches Wirksamwerden. Die externen Rahmenbedingungen sind hier nicht Thema. Ich beschränke mich auf die Faktoren, die durch öffentliche Verwaltungen maßgeblich selbst steuerbar sind. Der praktischen Umsetzung eines Führens durch Zielvereinbarungen stehen entgegen:

  • Überforderte Führungskräfte
  • Unzureichende Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Das Widerstandsverhalten von MitarbeiterInnen
  • Eine fehlende Vertrauenskultur
  • und die informelle Mitarbeiterführung durch Parteipolitik.

Die benannten Faktoren durchdringen sich wechselseitig. Auf die mir wesentlich erscheinenden Problemkreise „Überforderte Führungskräfte“, „Widerstandsverhalten“ und „Informelle Doppelführung durch Politik“ will ich näher eingehen.

Unzureichende Führungsqualifikation der Führungskräfte

Den Führungskräften kommt bei der Steuerung des Reformprozesses eine Schlüsselrolle zu. Sie müssen zu Managernwerden und begegnen weitgehend neuen Anforderungen. Zum einen müssen sie die Veränderungen, die die Legitimation der alten bürokratischen Herrschaft unterminieren, überzeugend an ihre Mitarbeiter kommunizieren. Zum anderen müssen sie den Transformationsprozess hin zu einer modernen, kunden- und bürgerorientierten Verwaltung steuernd vorantreiben und dabei als Führungskraft Vorbild sein. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, muss die Führungskraft in ihrer alltäglichen Führungspraxis zugleich immer wieder in neue Rollen schlüpfen. Während sich im Kontext einer bürokratischen Führungskultur schon die Frage nach einem flexibles Eingehen auf unterschiedliche Gegebenheiten gar nicht stellt, kann ein Führen durch Zielvereinbarungen nur erfolgreich sein, wenn nicht der Fiktion angehangen wird, es gäbe den richtigen Führungsstil. Dafür sind Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Begabungen, ihrer Kompetenzen, ihrer emotionalen Konstellationen und in dem, was sie motiviert oder demotiviert, einfach zu unterschiedlich.

Abb. 1: Anforderungen an Mitarbeiterführung

Den Anforderungen an Mitarbeiterführung, wie sie sich aus dem Neuen Steuerungsmodell ergeben, ist von der Bundesebene bis zu den Kommunen vermutlich nur ein sehr kleiner Teil der heutigen Führungskräfte gewachsen. Die Gründe liegen in einer einseitigen Führungskräfterekrutierung, der bürokratischen Sozialisation der Führungskräfte und der fehlenden systematischen Führungskräftenachwuchsbildung.

Bei der Rekrutierung von Führungskräften, also beispielsweise von hauptamtlichen Beigeordneten und Fachbereichsleitern resp. Amtsleitern in Kommunen und von Abteilungsleitern und Referatsleitern in Ministerien, spielten Führungsqualifikationen in der Vergangenheit gar keine Rolle. Das traditionelle System öffentlicher Verwaltungen war nicht auf Führung angelegt. Führung erfolgte indirekt durch die normative Ordnung; persönliche Führung reduzierte sich auf Fach- und Pflichtenkontrolle. Nicht Führungspersönlichkeiten, die außer über Fachkompetenz auch über Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz verfügen, wurden mit Führungspositionen betraut, sondern nach Laufbahnkriterien reine Fachmänner, ganz selten Fachfrauen. Dort, wo es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht, wurde und wird die Suche nach dem richtigen Fachmann zugleich überformt durch die Suchenach dem parteipolitisch genehmen Kandidaten.

Es gibt für überforderte Führungskräfte gewiss mehrere Reaktionsmöglichkeiten. Interessant ist nach meiner Erfahrung jedoch das Moment der kognitiven Dissonanz. Man behauptet, teamorientiert, kommunikativ und kooperativ gemäß der neuen Führungsphilosophie zu führen, teilweise bemüht man sich bewusst. Aber die dominanten, unbewussten Führungsrituale sind andere. Für überforderte Führungskräfte ist die Versuchung groß, die neuen Sprachregelungen zu übernehmen und die neuen Instrumente wie Vorgesetzten-Mitarbeitergespräche formal zu praktizieren, im tatsächlichen Führungsverhalten jedoch schnell in den vermeintlich sicheren Hafen bürokratischer Detailsteuerung zurückzulaufen.

Für das Problem „überforderte Führungskräfte“ sehe ich Lösungsansätze auf drei Ebenen:

  • Öffentliche Verwaltungen müssen sich ihrem Führungsdefizit offensiv stellen.

Nur wer sich ein Problem schonungslos eingesteht, kann es auch lösen. Wenig hilfreich sind rein symbolische Handlungen. Schön klingende Führungsleitlinien zu verabschieden, um die sich in der Praxis kaum jemand kümmert, bringt nichts. Führungsleitlinien bleiben solange eine Ansammlung toter Buchstaben wie die Führungskräfte nicht in Schulungen sowohl kognitiv wie emotional und praktisch umlernen. Auf der kognitiven Ebene benötigen sie Wissen über die theoretischen Grundlagen von Führung gemäß der neuen Führungsphilosophie. Damit aus diesem Wissen jedoch eine praktische Veränderung des Führungsverhaltens resultiert, bedarf es konkreter Trainingsprogramme mit Rollenspielen, mit Videoaufzeichnungen, mit Feedback-Gesprächen, mit anonymisierten Beurteilungen des in Rollenspielen gezeigten Führungsverhaltens. Die angesprochene kognitive Dissonanz lässt sich nur durch Konfrontation der Selbst- mit der Fremdwahrnehmung aufbrechen.

  • Die Führungskräfterekrutierung braucht ein breiteres Fundament.

Die in Deutschland praktizierte Rekrutierung der Führungskräfte ist trotz gewisser Lockerungsübungen immer noch zu einseitig auf bestimmte Ausbildungswege, damit auch eine bestimmte berufliche Sozialisation zugeschnitten. Internationale Vergleiche zeigen jedoch, dass die Pioniere der Verwaltungsmodernisierung gerade Länder sind, in denen es anders als in Deutschland oder auch Frankreich keine geschlossenen Rekrutierungswege und damit auch keine Tradition der Abschottung gegen gesellschaftliche Veränderungstrends gibt. Führungskräfte, die alle die im wesentlichen gleiche Sozialisation durchlaufen haben, stellen ein homogenes Gebilde dar. Hohe Innovationsresistenz bei gleichzeitiger Unfähigkeit zu flexiblem Management ist die Kehrseite davon.

  • Es bedarf einer systematischen Heranbildung nachwachsender Führungskräfte.

Zwischen dem Wissen um die Notwendigkeit systematischer Führungskräftenachwuchsbildung und der tatsächlichen Praxis klaffen Welten. So können Instrumente wie die Vergabe von Führungspositionen auf Zeit oder zur Probe, eingesetzt als Teil einer Gesamtstrategie, sinnvoll sein. Freilich zeigt schon der Blick in die Haushaltspläne, dass die Frage, wie systematische Führungskräftenachwuchsbildung betrieben und welche Hilfestellung „Führungskräfte auf Zeit resp. Probe“ erhalten sollten, angesichts völlig unzureichender Haushaltsmittel de facto vielfach ins Leere geht.

Umgang mit Widerstandsverhalten von Mitarbeitern

Jede Veränderung löst bei zumindest relevanten Teilen der Betroffenen Ängste aus, denn Veränderungen produzieren Gewinner und Verlierer. So bietet die Verwaltungsreform die Chance, Hemmnisse für Mitarbeitermotivation abzubauen und damit auch das Selbstwertgefühl der MitarbeiterInnen zu stärken. Insbesondere junge Kräfte und diejenigen, die schon immer mehr Verantwortung tragen und eigene Ideen einbringen wollten, aber kein Gehör fanden, sehen nun die Chance, die gängigen Klischees vom Beamtendasein als einem sanften Ruhekissen Lügen zu strafen und engagieren sich entsprechend. Schließlich haben sie die begründete Hoffnung, auf der Gewinnerseite zu stehen. Doch was die Hoffnung des einen, ist die Befürchtung des anderen. Und diese anderen sind in der Mehrheit. Die Mehrheit der MitarbeiterInnen ist mehr oder weniger verunsichert, hat Angst vor dem, was da Neues auf sie zukommt, misstraut den schönen Ankündigungen, fürchtet um die bisherige Machtposition oder auch um den Verlust liebgewordener Kuschelecken. Ein kleinerer Teil der Mitarbeiter „Typ Gesetzesvollzieher“ findet sich darüberhinaus in Fundamentalopposition zu der aus ihrer Sicht Selbstaufgabe des Staates als souveränem Rechtsstaat.

Dass ein so grundlegender Veränderungsprozess, wie er mit der Einführung Neuer Steuerungsmodelle verbunden ist, bei Verwaltungsmitarbeitern vielfältige Widerstände provoziert, kann niemanden verwundern. Das Widerstandsverhalten der Mitarbeiter stellt dann einen echten Stolperstein für den Reformprozess und damit auch für die Umsetzung einer neuen Führungskultur dar, wenn es an der notwendigen Sensibilität für die Ursachen und Formen von „Widerstandverhalten“ mangelt.

Abb. 2: Ursachen von Widerstandsverhalten der Mitarbeiter

Abbildung 2 zeigt auf, wie unterschiedlich Widerstand begründet sein kann. Es gibt aber nicht nur unterschiedliche Motivlagen. Auch die Äußerungsformen sind weitgespannt. Widerstand kann sich eher latent und passiv in Verweigerungsverhalten (Dienst nach Vorschrift, Innere Kündigung, Rückzug in Krankheit) äußern. Er kann aber auch aktive Formen bis hin zur Organisierung von Protestaktionen annehmen.

Zwei weitere Momente kommen hinzu. Nicht nur die Führungskräfte, auch ein Großteil der MitarbeiterInnen öffentlicher Verwaltungen hat eine bürokratische Sozialisation durchlaufen. Und es sprechen zumindest Gründe der Plausibilität dafür, dass im öffentlichen Dienst insgesamt betrachtet überproportional viele Menschen beschäftigt sind, die sich gerade wegen ihrer wenig risikofreudigen, dafür stark sicherheitsbetonten Persönlichkeitsstruktur für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst entschieden haben. Wenn nun im Rahmen eines neuen Führungsmodells von diesen Mitarbeitern erwartet wird, dass sie zu selbstständig handelnden VerwaltungsmitarbeiterInnen mit Ergebnisverantwortung mutieren sollen, bricht sich dies möglicherweise an Persönlichkeitsstrukturen, die durch solche Anforderungen nicht motiviert, sondern demotiviert werden.

Je nach Ursache erfordert der richtige Umgang mit Widerstandsverhalten unterschiedliche Strategien. Dort, wo Widerstandsverhalten aus einem Mangel an Information herrührt oder Politik und Verwaltungspitze selbst die Gründe dafür liefern, weil sie mehrdeutig-widersprüchliche Signale aussenden, haben sie es letztlich selbst in der Hand, durch Offenheit, durch ein intensives Kommunikationsmanagement, durch die umfassende Einbindung der MitarbeiterInnen und durch Konsistenz im Sagen und Tun, Widerstand gleich gar nicht aufkommen zu lassen. Ein großes Problem ist hier das Zusammentreffen von Verwaltungsreform und Haushaltskonsolidierung. Die Vermutung vieler Mitarbeiter geht – und dies nicht immer zu Unrecht – dahin, dass die ganze Veranstaltung doch nur Verpackung für das sei, was in Wahrheit „Rationalisierung und Stellenabbau“ heißt.

Falsch wäre es, Widerstandsverhalten nur negativ zu sehen. Teilweise liefert Widerstandsverhalten wertvolle Hinweise auf echte Problemlagen, beispielsweise wenn neue Anforderungen formuliert, Hilfestellung durch eine Qualifizierungsoffensive jedoch verweigert wird. Verwaltungen müssen, wenn sie es ernst meinen mit einem Führen durch Zielvereinbarungen, ihren Mitarbeitern intensive Förderung zukommen lassen. Gerade der Aspekt der Mitarbeiterförderung kommt jedoch in aller Regel zu kurz.

Abb. 3: Umgang mit Widerstandsverhalten

Welche Möglichkeiten es im Umgang mit Widerstandsverhalten gibt, verdeutlicht Abbildung 3. Keinesfalls sind die verschiedenen Möglichkeiten alternativ zu sehen. Erfolg verspricht vor allem der kombinierte Einsatz verschiedener Instrumente. Wichtig und in seiner Bedeutung häufig unterschätzt, ist dabei das Thema Vertrauen. Wo sich über Jahre eine Kultur des Misstrauens verfestigt hat, muss mühsam versucht werden, eine Basis für das Wachsen von Vertrauen zu legen.

Durch den Einsatz verschiedener Führungsinstrumente und ein ebenso glaubwürdiges wie geschicktes Agieren kann einigen Ursachen von Verunsicherung und Widerstandsverhalten wirksam entgegengewirkt werden. Illusionär wäre es jedoch zu glauben, alle MitarbeiterInnen seien mental erreichbar und ließen sich im Sinne der angestrebten, neuen Verwaltungskultur motivieren. Dort, wo z.B. Macht verteidigt wird, sei es die Macht einer einzelnen Person oder die Macht einer Gruppe, stoßen Führungsinstrumente, die von einem grundsätzlich positiven Menschenbild geprägt sind, schnell an ihre Grenze. Aktive Verweigerungshaltung muss deshalb deutlich sanktioniert werden.

Informelle Mitarbeiterführung durch parteipolitische Einflussnahme

Öffentliche Verwaltungen fungieren als „Instrumente“ der Politik, wobei es in Deutschland verglichen mit der angelsächsischen Tradition eine viel stärkere wechselseitige Durchdringung von Politik und Verwaltung gibt. Der Politikprozess ist ein Kreislauf, wo Politik und Verwaltung mehrfach bestimmte Rollen durchlaufen. Politik, das ist zum einen Sachpolitik, zum anderen jedoch Parteipolitik. Im deutschen parlamentarischen System verläuft die Trennlinie entgehen landläufiger Meinung nicht zwischen Parlament und Regierung, sondern zwischen Regierung einschließlich der Regierungsfraktionen und der Opposition einschließlich der dazugehörenden Fraktionen. Obwohl rechtlich betrachtet ein Gemeinderat kein Parlament ist, haben sich die Regeln des parlamentarischen Systems faktisch auch in vielen Kommunen durchgesetzt. Für Mitarbeiterführung in öffentlichen Verwaltungen resultiert daraus ein erhebliches Problem. Nicht nur auf Bundes- und Landesebene, auch auf kommunaler Ebene sichert die dominierende Partei ihre Macht über Ämterpatronage. Die Besetzung von Führungspositionen erfolgt formell nach Qualifikation und Eignung, informell jedoch unter der Zusatzbedingung des zumindest nicht falschen Parteibuchs. Das Spektrum der Mechanismen, mit denen Verwaltungsmitarbeiter bis zu einem gewissen Grad zu Aufziehpuppen von Parteipolitik gemacht werden und sich machen lassen, ist ebenso vielfältig wie subtil. Und das Problem, das für Mitarbeiterführung daraus erwächst, ist natürlich um so virulenter je politiknäher die jeweilige Verwaltung ist.

Dass Ämterpatronge offen zugegeben wird, ist der seltene Ausnahmefall. Dort, wo sie praktiziert wird, ist dies jedoch ein offenes Geheimnis und die MitarbeiterInnen richten sich in ihrem Verhalten danach aus. Im Extremfall kommt es zur parteipolitischen Fremdsteuerung der MitarbeiterInnen. Warum nicht in die Partei X eintreten, wenn das Parteibuch der Karriere auf die Sprünge zu helfen verspricht? Warum das Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit mit dem eigenen Vorgesetzten pflegen, wenn es doch Vorteile brächte, dem Ratsherrn XY mit wichtigen Informationen dienlich zu sein, während umgekehrt die loyale Zusammenarbeit mit dem eigenen Vorgesetzten die Gefahr der Abstrafung beinhaltet? Warum der schönen neuen Führungsphilosophie Glauben schenken, wo doch klar ist, dass die wirkliche Musik ganz anders spielt? Und überhaupt, warum noch besonderes Engagement zeigen, wo einem doch wiederholt deutlich gemacht wurde: Wenn Sie bei uns etwas werden wollen, dürfen Sie nicht das falsche Parteibuch haben.

Die in Verwaltungen vielfach anzutreffende Ämterpatronage hat äußerst negative Auswirkungen auf die Verwaltungskultur sowie die Motivations- und Leistungsbereitschaft vieler Mitarbeiter. Sie belohnt taktische und opportunistische Verhaltensweisen und untergräbt eine Kultur der Offenheit.

Derzeit ist für das Problem der informellen Mitarbeiterführung durch Parteipolitik keine Lösung in Sicht. Es gibt noch nicht einmal die Bereitschaft zur ehrlichen Thematisierung. Wie die Veränderung von Politik- und Verwaltungsstrukturen ineinandergreifen, wird an diesem Problem jedoch besonders deutlich. Deshalb wird es ohne Politikreform auch keine Lösung geben. Damit jedoch bin ich bei der eingangs erwähnten zweiten Klippe, an der das Projekt einer grundlegenden Verwaltungsreform abzustürzen droht.

Resümee

In den meisten Reformkommunen hat es die Verwaltungsspitze versäumt, die Reformsäule „Personalentwicklung“ sowie die weichen Faktoren Kultur, Kommunikation, Führung von Beginn an systematisch in den Reformprozess einzubeziehen. Das Kunststück besteht aber genau darin, einen Prozess zu managen, bei dem die ineinandergreifenden Bausteine der neuen öffentlichen Verwaltung parallel entwickelt werden. Eine Verwaltungsreform, die mehr ist als eine neue Phase von Verwaltungsmodernisierung wird es ohne eine grundlegend veränderte Führungskultur nicht geben. Gerade die Veränderung der „Verwaltungssoftware“ weg von der alten regelgebundenen hierarchisch-bürokratischen Kultur und hin zu einer Innovationskultur, wo Führen nicht durch Anweisungen, sondern durch Zielvereinbarungen erfolgt, begegnet jedoch immensen Schwierigkeiten. Die Umsetzung des neuen Führungskonzeptes scheitert in der Praxis ganz wesentlich schon an Führungskräften, die aufgrund von gegenläufigen Verhaltensroutinen gar nicht in der Lage sind, den neuen Anforderungen zu entsprechen. Auch dem Widerstandsverhalten von Mitarbeitern kommt eine nicht geringe Sprengkraft zu, zumal das Verständnis für die Ursachen von Widerstandsverhalten unterentwickelt und der Umgang mit verschiedenen Äußerungsformen von Widerstand häufig unangemessen ist. Zusätzlich erschwert wird die Durchsetzung einer neuen Führungskultur durch die in vielen Verwaltungen zumindest latent gegebene informeller Doppelführung durch parteipolitische Einflussnahme. Nur wenn diese Hemmfaktoren offensiv angegangen werden, hat die praktische Durchsetzung der neuen Führungsphilosophie eine Chance. Ansonsten bleibt reine Fassadenkosmetik.

Zusammenfassung

Das Modell bürokratischer Führung korrespondierte mit dem hierarchisch steuernden Staat. Das im Rahmen Neuer Steuerungsmodelle entwickelte Modell eines Führens durch Zielvereinbarungen und Kontraktmanagement entspricht dagegen dem Funktionswandel hin zum aktivierenden Staat und hin zur Bürgerkommune. Führen durch Zielvereinbarungen wurde in weiten Bereichen der öffentlichen Verwaltung zur neuen Leitphilosophie. Schon die Geringschätzung des Faktors Personal als zentrale strategische Größe im Prozess der Verwaltungsmodernisierung verhindert freilich, dass die neue Führungsphilosophie mit Leben erfüllt wird. Vielfach ist sie lediglich normative Fassade, hinter der das tradierte bürokratische Führungsregime fortexistiert. Der Beitrag beschäftigt sich mit einigen internen Stolpersteinen. Führungskräfte ohne Führungskompetenz, ein falscher Umgang mit dem Widerstandsverhalten der verunsicherten Mitarbeiter, eine gelebte Mißtrauenskultur sowohl das in Kommunen besonders virulente Problem informeller Doppelführung durch Parteipolitik werden als die zentralen Stolpersteine näher beleuchtet und Lösungsansätze aufgezeigt. Ob der Reformprozess mehr bewirkt als eine lediglich partielle, im Kern technokratische Modernisierung, wird sich, so die zentrale These, wesentlich an der Frage entscheiden, ob die Veränderungsperspektive über eine neue Führungskonzeption tradierte Verhaltensroutinen, die Formen der Zusammenarbeitens und die Verwaltungskultur im weitesten Sinne mitumgreift.

Summary

There is a correspondance between the model of bureaucratic leadership and a state, able to control society in a hierarchical way. In contrary, the concept of management by objectives and contracts represents the functional change towards „aktivierender Staat“ and „Bürgerkommune“. Management by objectives has become the new dominant philosophy in many parts of the public administration. However, the disregard of the personnel as central strategic factor in the process of modernizing the administration prevents the new philosophy from being put into existence. It is often only the normative façade hiding the old bureaucratic management regime. The present article deals with some internal obstacles some of which were discussed in detail such as managers without leadership authority, the inadequate reaction towards the resistance of insecure employees, the culture of mistrust, and the problem of informal double management by party politics which is especially present in municipalities. Whether the reform process leads only to a partial and virtually technocratic modernization will depend on whether the new management concept will change old behaviour patterns, forms of cooperation and the management culture.

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Hinweis: Der Aufsatz erschien in: Verwaltung und Management, März/April 2002, S. 95ff.